Unterstützungsantrag stellen

Unterstützungsantrag stellen

„Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der Arbeiter*innenbewegung, die Internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg. Unsere Unterstützung gilt denjenigen, die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile erleiden..“ (aus §2 der Satzung der Roten Hilfe)

Wer wird wie unterstützt?

Oft führen politische Aktionen zu Repression. Wir wollen, dass du damit nicht alleine bist und unterstützen dich auf Wunsch politisch und finanziell. Die Rote Hilfe übernimmt im Regelfall 50 Prozent der Kosten, die dir durch ein Strafverfahren wegen einer politischen Aktion entstanden sind. Um einen Unterstützungsantrag zu stellen, musst du nicht selbst Mitglied in der Roten Hilfe sein. Seit 2023 unterstützt die Rote Hilfe auch eine Reihe von Fällen im Zivilrecht (weitere Infos dazu findest du unten bei „Fragen & Antworten“).

Wann muss ich den Antrag stellen?

Es ist wichtig, dass du deinen Antrag frühstmöglich bei uns stellst, da ein Antrag spätestens neun Monate nach einem rechtskräftigen Urteil bzw. der letzten Anwaltsrechnung/Gerichtsrechnung bei uns eingegangen sein muss. Am besten ist es, wenn du schon bei der ersten Post von Polizei/Staatsanwaltschaft etc. mit uns Kontakt aufnimmst. So können wir dich von Beginn an solidarisch unterstützen.

Was übernimmt die Rote Hilfe?

Die Rote Hilfe übernimmt im Regelfall 50 Prozent der Kosten, die dir im Straf- bzw. Zivilrechtsverfahren entstehen. In Einzelfällen kann mehr oder weniger übernommen werden. Wichtiger Hinweis: Die Rote Hilfe übernimmt nur 50 Prozent des Pflichtverteidigersatzes nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Bitte deshalb deinen Rechtsanwalt / deine Rechtsanwältin, nur den Pflichtverteidigersatz zu berechnen. Nur in begründeten Fällen (z.B. bei besonders aufwendigen Verfahren) zahlt die Rote Hilfe e.V. den Regelsatz auf höhere Gebühren.

Wie läuft so ein Antrag ab?

  1. Du sammelst die erforderlichen Unterlagen zusammen (siehe unten) und schreibst einen formlosen Antrag.
  2. Idealerweise kommst du damit in unsere monatliche Sprechstunde und wir gucken nochmal gemeinsam drüber. Wann und wo die Sprechstunden stattfinden, erfährst du immer rechtzeitig auf unserem Blog. Solltest du zum Termin Unterlagen vergessen haben oder nicht persönlich erscheinen können, besteht die Möglichkeit, die benötigten Sachen an folgendes Postfach zu schicken:
    Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Kassel
    Postfach 103041
    34030 Kassel
  3. Die Ortsgruppe Kassel leitet den Antrag zur Entscheidung an den Bundesvorstand weiter.
  4. Nach Eingang deines Antrags prüft der Bundesvorstand, ob die Rote Hilfe e.V. deinen Antrag unterstützt. Dir wird schriftlich mitgeteilt, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wurde, bzw. ob noch Unterlagen und/oder Informationen für eine Entscheidung fehlen. Daher ist es ratsam, in dieser Zeit auch per E-Mail für Nachfragen erreichbar zu sein. Die Bearbeitung der Anträge bis zur Entscheidung kann zwei bis drei Monate dauern.

Das brauchen wir für die Bearbeitung eines Unterstützungsantrages:

  • Die Datenschutzverordnung der EU erfordert eine Einwilligung in die Verarbeitung eurer Daten – ohne diese im Original unterschriebene Erklärung kann euer Unterstützungsantrag nicht bearbeitet werden. Die Einwilligungserklärung und das Informationsblatt erhaltet ihr in der Sprechstunde oder per Mail.
  • Name, Adresse, möglichst Telefonnummer und E-Mailadresse, unbedingt IBAN und BIC. Bezieher*innen von Sozialleistungen können z.B. ihre Anwält*in fragen, ob die Unterstützung direkt an die Kanzlei gezahlt werden kann.
  • Persönliches Anschreiben, warum dein Fall unterstützt werden soll und wie hoch die Unterstützung sein soll.
    • Dazu gehört eine kurze Schilderung des Vorfalls: Was war der Anlass für die Festnahme, das Ermittlungsverfahren, den Prozess? An was für einer politischen Aktion hast du dich beteiligt (z.B. kurze Beschreibung und Motto der Demonstration/Aktion, wo und wann hat sie stattgefunden? Wenn vorhanden: Kopien von Aufrufflugblättern etc. beilegen.)
    • Hast du Aussagen bei der Polizei/Staatsanwaltschaft/vor Gericht gemacht? Wenn ja, warum?
    • Wurde der Prozess politisch geführt (z.B. durch eine Prozesserklärung) und/oder mit einer Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. oder einer anderen politischen Gruppe gemeinsam vorbereitet?
  • Was wird konkret vorgeworfen (§§)?
  • Verlauf und jetziger Stand des Verfahrens: Hast du eine Vorladung/Strafbefehl/Anklageschrift bekommen; hat ein Prozeß stattgefunden; Gab es andere Betroffene? Wie ist das Verfahren ausgegangen? Sind weitere Gerichtsinstanzen zu erwarten oder ist das Verfahren bereits abgeschlossen und das Urteil rechtskräftig?
  • Nachweis von Kosten: Höhe der Strafe, Gerichtskosten, Rechtsanwält*innenkosten, Kosten für Öffentlichkeitsarbeit (zweifache Kopien der Rechnungen beilegen) Wurde bereits ein Teil von anderen Solifonds übernommen? Sind noch weitere Kosten zu erwarten?
  • zweifache Kopien von Vorladungen, Strafbefehlen, Anklagen, Urteilen
  • Gab/gibt es bereits Solidaritäts- und Öffentlichkeitsarbeit zum Fall (wenn vorhanden, Kopien von Flugblättern, Pressemitteilung, Medienberichten)?
  • Besteht schon Kontakt zu einer Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. oder soll der vermittelt werden?

Und natürlich gilt: Solltest du an einem Punkt unsicher sein oder generell Zweifel an der Vollständigkeit deiner Unterlagen oder Informationen haben, zögere nicht, (noch einmal) in unsere Beratung zu kommen oder eine E-Mail zu schreiben.

Fragen und Antworten

Wir haben hier einige Punkte und Fragen zusammengetragen, die immer wieder im Zusammenhang mit Unterstützungsanträgen auftauchen. Wenn du hier keine Antwort auf deine Fragen findest, dann wende dich direkt an uns.

Zivilrechtsverfahren

  • Die Rote Hilfe unterstützt eine Reihe von Fällen im Zivilrecht. Im Zivilrecht ermittelt und klagt nicht der Staat, sondern natürlich bzw. juristische Personen (z.B. Firmen). Die klagenden und beklagten Parteien müssen die relevanten Tatsachen selbst in den Prozess einbringen und gegebenenfalls beweisen oder bestreiten. Komplette Aussageverweigerung kann im Zivilverfahren zu einem negativen Ausgang führen, wenn die Betroffenen mit ihrem Schweigen, den geltend gemachten Forderungen nichts entgegensetzen, also nichts bestreiten. Forderungen können aber durchaus bestritten werden, ohne konkrete Aussagen zu machen. Betroffenen kann daher nur empfohlen werden, sich frühzeitig zusammen ihren Genoss*innen und ggf. einer anwaltlichen Vertretung mit dem Verfahren zu beschäftigen, damit wirksam bestritten werden kann. Die Rote Hilfe unterstützt in Verfahren wegen Schmerzensgeld, Schadensersatz, bei Unterlassungsforderungen nach Outcalls/Outings und bei Verfahren vor dem Familiengericht. Es muss eine politische Betätigung vorliegen. Die Kriterien für Kürzungen/ Ablehnungen und Reuerklärungen gelten auch für Zivilrechtsverfahren.

Gnadenverfahren:

  • Die Rote Hilfe e.V. unterstützt in der Regel keine Gnadenverfahren.

Aussagen oder Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht

  • Der Bundesvorstand kann den Regelsatz kürzen bzw. die Unterstützung ganz ablehnen, wenn nach umfassender Einzelfallprüfung festgestellt wird, dass es im Rahmen eines Strafverfahrens zu Aussagen oder gar zur Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht gekommen ist.

Geständnisse und Entschuldigungen

  • Bei Geständnissen vor Gericht und/oder Entschuldigungen für die vorgeworfene „Tat“ kann der Regelsatz – nach Prüfung des Einzelfalls – gekürzt oder der Antrag auf Unterstützung abgelehnt werden.

Verwaltungsrechtliche Klagen (z.B. gegen Demoverbote, Raumverbote, Feststellung der Rechtmäßigkeit von Polizeieinsätzen)

  • Bei verwaltunggerichtlichen Vorgängen zahlt die Rote Hilfe e.V. nur, wenn der Fall grundsätzliche Bedeutung für die Entwicklung der Repression hat, aber nicht, wenn es nur um das „Einzelereignis“ selbst geht (egal wie politisch „wichtig“ das Ereignis ist). Am besten ist es, sich deshalb vorab bei der Roten Hilfe e.V. zu erkundigen, ob diese eine solche Klage unterstützt.

Repression in anderen Staaten

  • Die Rote Hilfe e.V. unterstützt alle von Repression Betroffenen, die ihren politischen Lebens- und Aktivitätsmittelpunkt in der BRD haben; d.h. es werden auch Kosten übernommen, die beispielsweise durch Prozesse nach internationalen Großdemonstrationen in anderen Staaten entstanden sind – wenn die Betroffenen hauptsächlich in der BRD aktiv sind. Repression gegen linke Bewegungen in anderen Staaten können wir ansonsten nicht im Rahmen von Unterstützungsfällen unterstützen, bemühen uns aber nach unseren Möglichkeiten, Solidaritätsarbeit in Form von Öffentlichkeitsarbeit oder auch vereinzelter Spendenkampagnen zu leisten.

Unterstützung von politischen und sozialen Gefangenen

  • Die Rote Hilfe unterstützt politische Gefangene, das heißt Gefangene, die aufgrund ihrer politischen Betätigung im Sinne der Satzung der Roten Hilfe e.V. im Knast sind, und kämpfende Gefangene, d.h. Gefangene, die aufgrund von Handlungen ohne politischen Charakter im Knast sind, die sich dort aber politisieren, deren Widerstand im Knast politische Dimensionen erlangt und die zusätzlicher Repression ausgesetzt sind.

Repression ohne politische Betätigung

  • Die Rote Hilfe e.V. unterstützt nur in Fällen von politischer Repression aufgrund von politischer Betätigung im Sinne der Roten Hilfe e.V.

Übernahme vom mehr als den Regelsatz (50 Prozent)

  • Unterstützungsfälle werden beim Erstantrag immer nur nach dem Regelsatz (derzeit 50 Prozent) unterstützt. In Ausnahmefällen kann ein zweiter Antrag gestellt werden, bezüglich einer Übernahme der restlichen Kosten. Dabei muss deutlich gemacht werden, warum die restlichen Kosten nicht selbst bezahlt werden konnten, bzw. ob und wie sich um weitere Unterstützung gekümmert wurde (z.B. durch andere Solifonds, durch Solidaritätsparty, Spendensammmlungen etc.).

Vorschuß für Rechtsanwält*innen

  • Vorschussleistungen an Rechtsanwält*innen werden nur nach Vorlage einer Vorschussrechnung und in Höhe des Regelsatzes (50 Prozent) bezahlt. Ansonsten gelten hier die gleichen Regelungen wie bei anderen Unterstützungsfällen.

Nachreichung von Rechnungen nach Bewilligung eines Unterstützungsantrages

  • Wurde ein Unterstützungsfall bereits bewilligt und im Nachhinein sind weitere Kosten entstanden (z.B. Gerichtskosten), werden diese in der Regel auch in Höhe des Regelsatzes übernommen. Es reicht, dann eine Kopie der Rechnung einzureichen (unter Angabe des Aktenzeichens des Falles).

Keine Übernahme von Kautionen

  • In der Regel übernimmt die Rote Hilfe e.V. keine Kautionen.

Kosten für Öffentlichkeitsarbeit

  • Zu den Kosten, die im Rahmen eines Unterstützungsantrages von der Roten Hilfe e.V. anerkannt werden, können auch Kosten für Öffentlichkeitsarbeit zählen. Dies allerdings nur, wenn die Rote Hilfe e.V. (z.B. eine Ortsgruppe) an der inhaltlichen Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit beteiligt war.