Zuerst veröffentlicht in: www.die-dezentrale.net
Nachdem das Ordnungsamt der Stadt Kassel als Versammlungsbehörde bereits einige Schelten kassierte, bekam es nun noch eine weitere Ohrfeige. Was ist faul im Staate Ahle Wurscht?
Erinnern wir uns zurück: Am Anfang des bundesweiten Rechtsrucks stand PEGIDA. Der Kasseler Ableger KAGIDA, später PEGIDA-Kassel, organisierte nahezu wöchentlich Aufmärsche. Aber es gab regen Gegenprotest. Der Anmelder einer Gegenkundgebung stellte Anfang 2015 fest, dass KAGIDA für den Februar noch nicht ihre Kundgebung am üblichen Auftaktort angemeldet hatte. Er meldete kurzerhand für die nächste Zeit beim Ordnungsamt an genau dieser Stelle die Gegenkundgebung an.
Das Ordnungsamt wollte aber dem KAGIDA Anmelder Michael Viehmann ein „Gewohnheitsrecht“ einräumen. Nach dem Motto: Montag ist immer Pegida, Pegida steht immer auf der Westseite des Platzes. Wenn es darum geht, Rassisten zu bedenken, die sich nicht gemeldet haben, wird der gemeine Ordnungsamtbeamte arbeitsam. Gegen dieses Vorgehen legte der Genosse Rechtsmittel ein. Das Verwaltungsgericht folgte noch der Auffassung des Ordnungsamtes, der Verwaltungsgerichtshof jedoch stoppte das groteske Spiel.
Im Zuge des Rechtsstreits rief die Lokaljournalistin Ulrike Pflüger-Scherb den Genossen auf seinem Handy an. Dieser reagierte ungehalten auf den Anruf und die penetranten Fragen. Pflüger-Scherb druckte dieses Gespräch samt Klarnamen in der Hessisch Niederträchtigen Allgemeinen ab – jener Monopolzeitung, die fein säuberlich in jedem Artikel über den stadtbekannten Totschläger und Neonazi Bernd Tödter, dessen Namen aus Persönlichkeitsrechtsgründen nicht ausschreibt. Das Handy hatte sich der Genosse allerdings nur für den Zweck geholt, um mit der Versammlungsbehörde zu kommunizieren – die Nummer war niemandem sonst bekannt. Es liegt also der Verdacht nahe, dass das Ordnungsamt die Handynummer an die Presse weitergegeben hat. Dieses versicherte ihm jedoch, dass seine Daten selbstverständlich nicht an Dritte weitergegeben würden, wie es das hessische Datenschutzgesetz und auch der Schutz der Versammlungsfreiheit vorsehe.
Der Anmelder zog also ein weiteres Mal vor Gericht, wobei es doch fast drei Jahre dauern sollte, bis endlich eine Gerichtsverhandlung stattfand. Dies lag wohl nicht an der komplexen juristischen Sachlage, sondern eher daran, dass eine Krähe einer anderen kein Auge aushackt. Immerhin sollte es vor Gericht für den Ordnungsamt-Mitarbeiter Hartmut Bierwirth peinlich werden. Nach mehr als einem Jahr Untätigkeit seitens des Kasseler Verwaltungsgerichtes gab es eine Verzögerungsrüge. Nach sechs weiteren Monaten wurde auf Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer geklagt. Dem betroffenen Genossen stehen nun voraussichtlich für zwölf Monate, in denen nichts passierte, Schadensersatz zu. Allein das Beamtenmikado vor Prozessauftakt wird die Steuerzahlenden aller Voraussicht nach 1.200€ kosten.
In der Frankfurter Rundschau konnte man über die Vorwürfe lesen:
„Wer die Zeitung informiert hatte, konnte zwar nicht aufgeklärt werden. Doch stattdessen wurde offenbar, wie lax im Rathaus mit Datenschutzvorschriften umgegangen wurde: Bei Demonstrationen pflegte man Name, Adresse, Geburtsdatum und Telefonnummern des Anmelders über einen großen E-Mail-Verteiler zu verschicken, auf dem unter anderem der Gewerbeaußendienst der Stadt, die Verkehrsüberwachung, die Feuerwehr, die Bundespolizei, der Oberbürgermeister und die städtische Pressestelle standen.“
In der Verhandlung ließ der Richter schnell durchblicken, dass das Vorgehen des Ordnungsamtes nicht rechtskonform ist. Am zweiten Verhandlungstag sagte Bierwirth kleinlaut: „Das Verständnis bei uns ist gewachsen“. Ämter und Einrichtungen jenseits von Ordnungsamt und Polizei bekämen jetzt lediglich anonymisierte Informationen. In dem darauf geschlossenen Vergleich verpflichtete sich die Stadt, dies auch in Zukunft weiterhin so zu handhaben und übernahm sämtliche Kosten des Verfahrens.
Immerhin: knapp 50 Jahre nach Inkrafttreten des hessischen Datenschutzgesetzes, welches damit weltweit das erste und älteste Gesetz seiner Art ist, hält sich jetzt auch das Ordnungsamt Kassel daran. Aber Beamte arbeiten bekanntermaßen langsam.
Während die FR wie oben zitiert berichtete, suchte man in der HNA vergebens. Soweit nicht verwunderlich, hätte die HNA doch über ihre eigenen Schweinereien und Unzulänglichkeiten schreiben müssen.
Der Fall zeigt, dass die Kasseler Behörden daran gewöhnt sind, sich einiges rausnehmen zu können. Warum das so oft funktioniert? Weil sich fast niemand wehrt. Lasst euch nichts gefallen und setzt euch mit uns in Verbindung wenn ihr Versammlungen anmelden wollt, wir helfen euch dabei.
Demonstrationsfreiheit durchsetzen!
Vor Gericht und auf der Straße.